Als »Souvenir« bezeichnen wir, neutral betrachtet, Mitbringsel für uns oder die Lieben zuhause. Sie sind gerne kitschig, eher plakativ als dezent und im Nachhinein vielleicht ein wenig unnütz. Emotional betrachtet sind es ganz besondere Andenken an unseren persönlichen Sehnsuchtsort. Wir haben uns auf die Suche nach solchen Souvenirgeschichten gemacht und nehmen euch mit auf die Reise in Gedanken.
Aus dem französischen übersetzt sind Souvenirs »Erinnerungen«. Erinnerungen an einen lieb gewonnen Ort, eine nicht zu vergessende wollende Begegnung oder einen einzigartigen Geschmack. Souvenirs sind demnach nicht nur materielle Gegenstände. Ein Souvenir kann auch eine Geschichte sein, welche wir uns erzählen, wenn mal wieder dieses Fernweh in uns auftaucht. Und doch gibt es diese Objekte, von denen wir uns nicht trennen wollen. Sie begleiten uns ein Leben lang, überleben mehrere Umzüge und tauchen gerne unerwartet wieder auf. Und dann ist es plötzlich wieder da. Dieses Gefühl, das uns vom Reisen bleibt.
Hühnergötter auf Rügen
»Gefunden habe ich diesen Stein auf Rügen, während neben mir ein älterer Herr mit einem gebogenen Metallstab den Strand durchkämmte. Ich wunderte mich, was er zwischen all den Steinen verloren hatte, das ihn so hartnäckig Harken ließ. Er erklärte mir, dass er auf der Suche nach Hühnergöttern sei – Feuersteinknollen mit einem Loch, das aus herausgewitterten Kreideanlagerungen entsteht. Meine Neugier war geweckt und so liefen wir beide mit dem Blick nach unten gerichtet über den Strand. Mir fielen sehr schnell andere Steine auf, die mir wegen ihrer Form und gerade wegen ihrer noch vorhandenen Ablagerungen gefielen. Einen ohne Loch, aber voller Kreideeinschlüsse nahm ich mit nach Hause. Dort wandert er ohne Götterstatus, aber wohlgeformt durch meine Wohnung, findet meist seinen Platz auf meinem Schreibtisch und versetzt mich mit jedem Blick ans Türkis schimmernde Meer.«
Erzählt von Anky, Gestalterin und Spontan-Camperin
Griechische Diaspora
»Meine Großtante Betty hinterließ mir das Postkartenbuch von ihrer Mittelmeerkreuzfahrt in den 1960er Jahren. Sie schwärmte von Athen und von den Geysiren in Island, die sie auf einer anderen Schifffahrt gesehen hatte. Kistenweise Dias hinterließ sie mir. Griechenland hat’s mir dann nachhaltig angetan. Nach meinen ersten Reisen nach Hellas habe ich immer etwas besserwisserisch die griechischen Tavernen in Deutschland als nicht authentisch abgetan. Aber irgendwann dämmerte mir der spezielle Charme dieser Kunstorte mit ihrer kitschigen Dekoration und ihren redseligen Wirten. Die griechische Taverne in der Diaspora ist eben etwas ganz anderes als die in Griechenland. Sie ist ein Kunstort. Aber in ihr hört man das Echo des Mutterlandes auf eine sehr melancholische, manchmal ironische, ja trashige, dabei aber immer irgendwie essentielle Art klingen. Ob es im Café Jannis in Frankfurt ist, in dem früher eine ausgemusterte Kühlvitrine mitten im Raum stand, oder in der griechischen Taverne neben dem Eingang zur Heidelberger Bergbahn mit ihren Flokatis und Statuen und dem mit zwei dorischen Säulen umrahmten großen Fernseher, auf dem immer Fußball lief. Ganz nebenbei ist das Gyros bei Janni das beste, was ich jemals gegessen habe.«
Erzählt von Steffen, Lehrer zwischen Berlin und Athen
Vom Einkehren
»Jedes Jahr, im frühen Sommer, mache ich mit Freunden aus der Heimat eine Hüttenwanderung. Egal ob Österreich, Schweiz oder Südtirol. Einfach mal dem Alltagsstress entkommen und ein paar Tage mit netten Leuten in der Natur verbringen. Eines der Highlights beim Wandern ist für mich das Einkehren in die Hütte am Abend. Hier ist’s gemütlich, das Feuer knistert und es gibt immer zünftiges Essen. Jede Hütte hat für sich seine Vorzüge. Gastfreundlich sind sie alle: Jeder Wirt samt Familie ist einzigartig und hat sein ganz eigenes Spezialgericht. Und wenn wir uns dann nochmal die Bilder vom Wandern anschauen und mir die Quittungen von den Hütten in die Hand fallen, denke ich sofort an das leckere Essen zurück. Im Kopf plane ich dann schon die nächste Tour…«
Erzählt von Henrik, Social Media Manager und Wandersjunge
Träumen von Dolce Vita
»Es ist Sommer 2019. Ich erfülle mir einen Traum: Ein Sommer in Italien ohne Rückfahrticket! Per Zug reise ich von Nord nach Süd, ohne konkretes Ziel. Ich bleibe einfach dort, wo es mir gefällt. Ganz im Süden, in der Reggio Calabria, wohne ich in einem Hotel, in dem die Zeit stehengeblieben scheint. Über einen kleinen Weg durch die Felsen gelangt man an eine Badestelle. Gefühlt aus dem Nichts, taucht plötzlich ein Mann aus dem Wasser auf, der sich als Marco vorstellt. Mit Händen und Füßen, Englisch und Italienisch, versuchen wir uns zu unterhalten. Dann taucht er nochmal kurz ab, hält mir eine Muschel entgegen und weg ist er auch schon wieder. Die Muschel begleitete mich den Rest der Reise. Nun liegt sie bei mir im Badezimmer, als Aufbewahrungsort für (Mini)-Lieblingsschmuckstücke. Als Erinnerung an einen Sommer voller Dolce Vita, Freiheit und spontanen, herzlichen Begegnungen.«
Erzählt von Anna-Lena, PR-Managerin mit Ayurveda-Ausbildung
Fotos: Max Ernst Stockburger, Anky Brandt / Draussen Magazin