Heilfasten, um die innere Reset-Taste zu drücken? Wir haben zum 10-jährigen Jubiläum den Fastenkasten der Naturkostsafterei Voelkel ausprobiert und uns gefragt, was hinter dem Fasten-Hype steckt. Neben unseren persönlichen Erfahrungen zum Saftfasten, teilen wir Tipps von Fastenleiter Frank Wiegmann und öffnen unsere geheime Telegram-Gruppe.
No sugar, weniger Social Media und Kaffeeentzug: Es gibt viele Formen des Fastens, die uns über die Medien oder Instagram pünktlich zum Frühjahr immer wieder in die »Timeline« gespült werden. Weil unsere Reiseplanungen zu Beginn des Jahre erst einmal – wegen ihr wisst schon – auf unbestimmte Zeit verschoben wurden, hatten auch wir Zeit uns ausgiebig mit dem Thema des freiwilligen Verzichts zu beschäftigen. Was fasziniert unsere Mitmenschen am Fasten? Bedeutet es wirklich die erhoffte Katharsis nach einem Winter voller Wolllust? Und wie verflixt nochmal stelle ich das Ganze an, ohne durchzudrehen? Wir haben uns ans Selbstexperiment gewagt und das 10-jährige Jubiläum des Fastenkastens still und leise mitgefeiert.
Heilfasten für Anfänger*innen: Der Fastenkasten
Die gute Nachricht zuerst: Beim Heilfasten geht es nicht um Diät-Tipps oder Kalorienzählerei, sondern um das Entlasten des Stoffwechsels. Dazu reihen sich schnell Buzzwörter wie »Detox« oder »Entschlackung«, die immer wieder in der Diskussion stehen. So findet man im Netz neben den Fasten-Befürwortern auch immer wieder Beiträge, die den ganzen Entgiftungsprozess in Frage stellen. Dabei klingen die Vorteile verlockend: Während der Fastenkur soll der Körper entschlackt, überalterte Zellen abgebaut und die Neubildung von Zellen angeregt werden. Schlacken hin oder her, nach all dem Gewusel in den vergangenen Wochen sehnen wir uns nach der viel besagten Reset-Taste für Körper und Geist und wollen uns selbst überzeugen. Um den Einstieg zu erleichtern, entscheiden wir uns für die Saftkur – Eine Variante des Heilfastens, die sich nicht nur auf Wasser und ungesüßten Tee beschränkt. Auf dem Wochenplan stehen dafür Gemüsesäfte in Demeter-Qualität. »Saftfasten ist im Gegensatz zu vielen anderen Fastenkuren weniger anstrengend für den Körper, da noch reichlich Nährstoffe wie Vitamine und Mineralstoffe zugeführt werden«, bestärkt uns Fastenleiter Frank Wiegmann.
Das Achtmaleins der Saftkur
Die feste Nahrung verschwindet, der Geschmack bleibt: Insgesamt sechs intensive Gemüsesäfte stehen für das »8-Tage-Programm« zur Verfügung. Am ersten Tag, dem Entlastungstag, gibt es Sauerkrautsaft und Schonkost. In den ersten 24 Stunden dreht sich alles ums Abführen – schließlich soll beim Fasten der Darm gereinigt und entleert werden. Dabei helfen neben der Milchsäuregärung im Sauerkraut vor allem Glaubersalz und der weitaus weniger beliebte aber effektive Einlauf. Dieser sollte sogar nochmals während der eigentlichen Saftkur wiederholt werden. In den weiteren fünf bis sechs Tagen gibt es die Gemüsesäfte pur oder mit stillem Wasser. Wer die Säfte noch etwas aufpeppen möchte, greift zu Zitrone und Ingwer. Zum Ende geht es beim Fastenbrechen und den sogenannten Aufbautagen darum, Stoffwechsel und Verdauung aus dem Ruhemodus zu holen und den Körper wieder an feste Nahrung zu gewöhnen. Dazu eignen sich beispielsweise leichte Suppen oder grüne Säfte mit Schmackes.
8-Tage-Programm zum Saftfasten
Nach Frank Wiegmann erzielt jedes Fasten einen positiven Effekt – dazu gehören auch das Intervallfasten sowie vereinzelte Saftentage. Das klassische Saftfasten sollte allerding aus mindestens fünf reinen Safttagen bestehen, worauf auch die Idee des Fastenkastens basiert. Franks Tipps gegen aufkommende Kopfschmerzen: Bewegung an der frischen Luft, ein Teelöffel Honig oder etwas Fruchtsaft, um eine Unterzuckerung auszugleichen. Zu den großen Vorteilen des Fastenkastens von Voelkel gehören für uns die detaillierte Infobroschüre mit einer Übersicht zum 8-Tage-Programm, Yoga-Übungen und Rezepten für die Aufbautage sowie die Fasten-Hotline mit Frank Wiegmann für persönliche Fragen. Wer sich beim Entlastungstag für die empfohlenen Kartoffeln aus der Broschüre entscheidet sollte allerdings wissen, dass es sich bei den angegebenen eineinhalb Kilo nicht um ein »soll« handelt. Eine Zahl, die uns zum Start ins Grübeln und in kulinarische Verschwörungstheorien brachte.
Da wir unser Selbstexperiment nicht von Ärzt*innen überwachen ließen, bleibt uns für das Saftfasten-Fazit nur die Erkenntnis aus unserer sehr persönlichen Sicht. Auch wenn die Saftkur in Nuancen unterschiedlich bei uns abgelaufen ist, blieb am Ende bei allen das gute Gefühl des Innehaltens. Der freiwillige Verzicht hat uns geholfen, einmal bewusst aus dem Hamsterrad auszusteigen und nach bewährter »Slow Travel«-Manier runterzuschalten. Das Abenteuer »Fasten« hat uns aber auch gelehrt, eigene Grenzen auszutesten und die wahnsinnigen Leistungen unseres Körpers wieder mehr wertzuschätzen.
Erfahrungsbericht von Annemarie, Fasten-Neuling
Vor dem »Saftfasten«:
Das packe ich nicht. Niemals. Nie. Nicht einmal ein bisschen! Ich kann mich an keinen Tag erinnern, an dem ich mal gedacht habe: »Heute mal eine klare Suppe ohne Einlage, lecker!« Und jetzt soll ich gleich noch einen Gang höher schalten und nur Gemüsesäfte trinken? Die kommende Woche plane ich akribisch meine sozialen Aktivitäten und versuche das Thema Essen aus dem Pool der Möglichkeiten zu streichen. Drei Tage möchte ich durchhalten.
Währenddessen und danach:
Ich setze große Hoffnung in den Sauerkrautsaft am Tag eins, dem Entlastungstag. Gekühlt schmecken die ersten Schlücke gar nicht so übel – mit Gin Tonic gemischt würde ich die Flasche aber wohl schneller runterkriegen. Die ersten beide Tage bleibe ich (als nicht Kaffeetrinkerin?) von krassen Kopfschmerzen verschont, jedoch wird mir künstliches Licht und minimal hohe Lautstärke schnell zu viel. Meine Reise zum inneren Kilimandscharo beginnt. Es macht relativ schnell »klick« und ja, ich bin erstaunlich gut drauf: Alles fühlt sich ein bisschen an wie Urlaub mit sich selbst. In den folgenden Tagen lasse ich mich sehr viel weniger von äußeren Einflüssen ablenken und kann die Signale meines Körpers besser wahrnehmen. Aus den erhofften drei Tagen werden schnell sechs, #FastenHigh ich komme!
Tipps & Tricks:
Höhepunkte setzen! Am leckersten fand ich die Gemüsekomposition mit ein wenig Kräutermeersalz. Die habe ich mir für Tag drei aufgehoben, um motiviert am Ball zu bleiben. Ansonsten habe ich das Thema Ölziehen und Zungenschaber nochmal ganz neu für mich entdeckt (alleine den Freunden zuliebe). Während meiner Fastenzeit hatte ich keine Sekunde mit Hungergefühlen zu kämpfen, dafür sollte man aber wirklich nur bei den Gemüsesäften bleiben und nichts zu sich nehmen, was die Verdauung anregen könnte (auch nicht das allerkleinste Karottenstückchen). Und: Glaubersalz schmeckt mit viel Zitronensaft ein bisschen weniger nach Hölle.
Erfahrungsbericht von Anna-Lena, Team Ayurveda
Vor dem »Saftfasten«:
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, nie mehr zu fasten. Aber da die Weihnachtszeit jede Menge Süßigkeiten, alkoholische Drinks und Snacks mit sich gebracht hatte, fühlte ich mich bereit zum Verzicht. Das hieß konkret: Kein Zucker, kein Alkohol und kein Weizen. Damit startete ich am 1. Februar 2021 und wollte mindestens einen Monat durchhalten. Zwischendrin dann eine Woche Heilfasten, also nur Flüssiges zu mir nehmen. Für den Verzicht auf einige Lebensmittel war ich mit einem mit Gemüse gefüllten Kühlschrank gut motiviert und es lief erstaunlich gut.
Währenddessen und danach:
Als dann die Fastenwoche kam, versetzte mich vor allem der Gedanke an Kaffeeverzicht in Panik. Zoom-Meetings ohne Kaffeeunterstützung konnte ich mir kaum vorstellen. Die ersten drei Tage waren dann auch wie von vielen Fastenden oft gehört und angekündigt hart. Wobei Kaffee nicht das Schlimmste war. Was ich nicht bedacht hatte: In Corona-Zeiten ist nun mal eines der wenigen Highlights Essen. Neue Rezepte ausprobieren oder die Mittagspause zur Runde draußen inklusive Essen im Lieblingsrestaurant abholen nutzen. Und nun: Brühe, Tee und Saft! Als ich schon kurz davor war, das Ganze abzubrechen, kam das sogenannte Fastenhoch. An Tag vier hatte ich so viel Energie wie selten zuvor, packte eine Yoga Einheit ins Homeoffice, ging spazieren und fühlte mich als könnte ich noch ewig nur von Flüssigem ernähren.
Tipps & Tricks:
Was beim Fasten half: Der Tipp von »Draussen«-Kollegin Anky, die (Voelkel)-Gemüsesäfte warm als Suppe zu genießen. Dank Ayurveda-Ausbildung und Beratung versuche ich eigentlich nur noch Warmes zu essen und zu trinken. Was mir außerdem half: Vorher schon einen Gang runter zu schalten und nicht direkt nach der Weihnachtsvöllerei zu starten. Bis heute gibt es weiterhin keinen Zucker und Alkohol. Als Entlastungstag zwischendurch gibt es Gemüsetage oder auch ein beliebtes ayurvedisches Rezept: Kitchari.
Erfahrungsbericht von Anky, Wiederholungstäterin
Vor dem »Saftfasten«:
In meiner Fastenkarriere habe ich bisher einige Fails hinter mir, fernab vom Fasten-High. Deswegen hatte ich dem Heilfasten eigentlich abgeschworen und war ins Intervallfasten-Lager gewechselt. Doch eine Freundin schwärmte so sehr vom Saftfasten, dass ich der Sache noch eine letzte Chance geben wollte.
Währenddessen und danach:
Während ich damit kämpfte die Glaubersalzlösung zu trinken, fragte ich mich, was ich mir da angetan habe. Doch überraschenderweise blieb das die härteste Prüfung. Aus irgendeinem Grund ist es mir wirklich einfach gefallen mit den Gemüsesäften zu fasten. Kein Hunger, keine Beschwerden, stattdessen viel mehr Energie und Tatendrang. Und die Zeit, die ich sonst für das Einkaufen und Kochen verwendet habe, habe ich damit verbracht Kochvideos zu schauen und Restaurant-Speisekarten zu checken – gucken darf man ja!
Tipps & Tricks:
Die Entlastungstage vor und nach dem Fasten werden oft unterschätzt, an ihnen hängt aber ob es eine gute oder schlechte Fastenerfahrung wird. Außerdem natürlich viiiel trinken: Ich habe vorher recherchiert, welche Tees sich besonders gut fürs Fasten eignen und meinen Vorrat mit leckeren Teesorten aufgefüllt.
Für alle, die zum Thema »Fasten« was auf die Ohren wollen: Frühjahrsputz für Körper und Seele von Deutschlandfunk Kultur und Fasten – Verzicht und innerer Gewinn? im Radio Wissen des Bayerischen Rundfunks. Weitere Infos zum Fastenkasten von Voelkel gibt es hier.
Fotos: Voelkel, Alex Loup, Anky Brandt & Atsushi Kakefuda
Stößchen auf die Naturkostsafterei Voelkel, die diesen Beitrag durch eine Kooperation ermöglicht haben