Wir wollen hoch hinaus: Unsere Redakteurin Anna-Lena hat Bergluft geschnuppert und sich von Frauen inspirieren lassen, die regelmäßig in Gruppen oder im Alleingang die Berge erklimmen. Dabei schaut sie auf die weibliche Alpingeschichte zurück und stellt uns aktuelle Bergheldinnen vor. Dazu gibt es Tipps zu Touren für Anfänger, Geübte und Profis.
Frauen werden in der Geschichte des Bergsports gerne als »unsichtbare Heldinnen« betitelt, zu lange fanden ihre Errungenschaften in der vermeintlichen Männerdomäne keine Beachtung. So wurde der deutsche Alpenverein 1869 von 38 Männern gegründet und war auch fünf Jahre danach noch eine 98-prozentige Männerangelegenheit. Offen für Frauen durften diese dem Verein zwar offiziell beitreten, das Mitspracherecht wurde ihnen allerdings untersagt. Dabei gibt zuhauf Beispiele von Bergsteigerinnen, ob Profi oder Anfänger, die uns inspirieren und Mut machen, unseren eigenen Weg zu gehen. Uns an Grenzen heranzutasten und Blickwinkel zu verändern.
Alpine Rebellinnen der Geschichte
Da gab es zum Beispiel Lucy Walker, die erste Frau auf dem Matterhorn, nur sechs Jahre nachdem der erste Mann das schaffte. Angeblich hat sie oft ihre Touren im Rock begonnen wie es sich zur damaligen Zeit gehörte und wanderte außer Sichtweite von Zeugen dann in Flanellhosen weiter. Damals, Ende des 19. Jahrhunderts ein Akt der Rebellion. Oder Fanny Bullock Workman, die sich auf einer ihrer Bergtouren mit dem Titelblatt der feministischen Zeitschrift »Votes for Women« fotografieren ließ. Somit setzte sie sich 1912 nicht nur für mehr Frauen in den Bergen, sondern auch für das Frauenwahlrecht ein. Sie war auch eine der ersten Frauen, die im Himalaya-Gebirge aktiv waren. Wie auch Junko Tabei, die 1969 den ersten Bergsteigerinnen Club Japans gründete. Und schließlich 1975 als erste Frau den höchsten Berg des Himalayas, den Mount Everest, bestieg. Nachdem ihr mehrmals gesagt wurde, sie solle nach der Geburt ihres ersten Kindes sich doch lieber um dessen Erziehung kümmern.
Aber auch aus Deutschland kommen weibliche Pioniere: Wie zum Beispiel Eleonore Noll-Hasenclever die erst mit Bergführern insgesamt 21 Viertausender bestieg, um dann ab 1909 führerlos in die Höhen zu kraxeln. Dabei wurden der gebürtigen Frankfurterin immer wieder Steine in den Weg gelegt. Als sie 1913 selbst als Bergführerin eine andere Frau auf die Gipfel der »Weißmießgruppe« begleitete, wurden ihr in einer Nacht das Seil zerschnitten, aus Ungunst ihrer männlichen Kollegen. Später war es Helma Schimke, die es als gelernte Architektin und dreifache Mutter unter anderem an die Piz-Badile-Nordwand sowie die berühmt-berüchtigte Buhl-Route an der Maukspitze im Wilden Kaiser schaffte. Im Jahr 1974 revolutionierte dann Lotte Pichler den deutschen Alpenverein, indem sie der immer lauter werdenden Jugend im Verein eine Stimme gab und zur weiblichen Bundesjugendvorsitzenden vom DAV wurde.
Die erste Schwarze Frau auf dem Mount Everest heißt übrigens Saray Khumalo. Die 47-jährige bestieg 2019, nach drei Versuchen, das Dach der Welt und ermutigte damit nicht nur ihre Söhne den »unmöglichen Traum zu träumen«. Auch Zee Ndaba zählt zu unseren Bergheldinnen – die Mutter aus Südafrika ist dort bislang die erste und einzige Schwarze Bergführerin und begleitet als solche über die Tugela-Schlucht in den Drakensbergen.
Frauen in den Bergen 2.0
Wir könnten hier noch viel länger über weibliche Pioniere erzählen, für die es bei der Bergbesteigung nicht nur um das Erklimmen neuer Höhen ging, sondern auch um den Kampf für Gleichberechtigung und Emanzipation. Heute gibt es dank solcher Vorbilder vielleicht nicht mehr ganz so viele Berge, die noch zum ersten Mal von Frauen bestiegen werden könnten. Dennoch haben wir natürlich Frauen(gruppen) gefunden, deren Liebe zu den Bergen und zur Natur uns inspiriert und deren Einsatz bemerkenswert ist. Denn vor allem in den sozialen Medien tauchen immer mehr Outdoor-Heldinnen auf, die uns an ihrer Leidenschaft für die Berge teilhaben lassen und uns so zu eigenen Abenteuern motivieren. Ein paar dieser Wander- und Klettergeschichten möchten wir euch vorstellen und damit zeigen, dass die Schönheit unserer Natur und Berge für alle zugänglich ist. Ob in der Gruppe, im Alleingang oder im Familienpack.
»Fräulein Draußen« – Vom Blog zum Buch
Kathrin Heckmann hat ihre Leidenschaft für Abenteuer zum Beruf gemacht und postet seit einem Solo-Reise Trip nach Schottland 2013 hauptberuflich übers Reisen. Gerne in den Bergen und mit spektakulären Aussichten. Neben inspirierenden Touren und Wanderungen in Deutschland, Europa und auch anderen Kontinenten, lieben wir die praktischen Tipps in den Kategorien Ausrüstung und Outdoor. Vom Schlafsack-Test über Pflege für Wanderschuhe oder Zeckenschutz. Wir haben uns hier schon einiges abgeschaut und uns über die hilfreichen Empfehlungen gefreut. Mitte Juni ist dann sogar Kathrins erstes Buch »Fräulein Draussen« im Ullstein Verlag erschienen. Hier geht es nicht um spezielle Touren, sondern um das, was ihr wirklich wichtig ist: Frei und glücklich zu sein, zu sich selbst und vor allem zur Natur zu finden.
»Munich Mountain Girls« – Die weibliche Bergcommunity
Bei den Munich Mountain Girls geht es vor allem um die Gemeinschaft. Unter den Hashtags #Munichmountaingirls und #Bergfreundinnen versammeln sich seit 2016 bergbegeisterte Münchnerinnen und mittlerweile auch deutschlandweit Frauen, welche die Berge lieben. Fokus ist die Gemeinschaft und das gemeinsame Erleben von Bergen und Abenteuern, ohne Leistungsdruck. Ob Skitouren oder Mountainbiken in den Bergen, in der überregionalen Mountain Girls Facebook Gruppe mit mittlerweile über 5.000 Mitgliedern, finden sich neue Freundinnen und Begleiterinnen für jegliche Ausflüge. Bei regelmäßig stattfindenden Stammtischen können sich die Mitglieder, darunter auch »Berg-Mamis« auch im echten Leben kennenlernen, vernetzen und über gemeinsame Bergabenteuer schwärmen. Ab sofort gibt es die Mountain Girls auch zu hören – in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunk gibt es die Abenteuer im neuen Bergfreundinnnen-Podcast auf die Ohren.
»Wanderzwerg« - Mira und ihre Familie auf Höhenmetern
Mira kam erst durch ihre Kinder zum Wandern und meistert als alleinerziehende Mutter von drei Wanderzwergen ihre Bergabenteuer auch mit Nachwuchs im Gepäck. Auf Instagram dürfen wir die vier dabei begleiten und uns über wunderschöne Berglandschaften und Reisebilder der bergliebenden Familie freuen. Wandern bedeutet für die aktive Mutter ein Gefühl von Freiheit und Gemeinschaft. Die besten Gespräche und intensivsten Familienmomente entstehen auf den Wanderungen und die Herausforderungen des Alltags treten in luftiger Höhe für eine Weile in den Hintergrund. Die Kinder sind quasi mit ins Wandern reingewachsen und daher schon im jungen Alter wahre Bergprofis. Miras jüngste Tochter ist gerade mal drei Jahre alt und hat schon den Dolomitenhöhenweg und die Tour du Mont Blanc erlebt. Vom Familienmotto »Geht nicht, gibts nicht« schneiden wir uns gerne eine Scheibe ab.
Anna Breitinger – Tipps für alle Bergliebhaber*innen
Zwei aus der »Draussen«-Redaktion kennen Anna Breitinger eigentlich in einem ganz anderen Kontext – doch auch hier fand die erste persönliche Begegnung in den Bergen statt, nämlich beim Naturkosmetik Camp im Allgäu. Nach einigen beruflichen Veränderungen bei allen dreien, sind wir immer noch große Fans von Annas Abenteuerlust und ihren atemberaubenden Bergtouren-Bilder auf Instagram. So war klar, dass wir sie für diesen Artikel unbedingt nach ihren persönlichen Empfehlungen fragen wollten. Sie lebt in der Nähe von Salzburg, ist seit etwa dreieinhalb Jahren im absoluten Bergfieber und verbringt jede freie Minute draußen. Gemeinsam mit ihrem Freund startete sie ihre Bergtouren und hat sich seitdem stetig gesteigert. Die 24-jährige hat in relativ kurzer Zeit schon einige Berge erklommen und ermutigt so auch andere Frauen, in die Höhen zu steigen. Dabei ist es ihr aber besonders wichtig, sich auch im Eifer niemals zu überschätzen: »Einsteigern empfehle ich, mit kleineren Touren zu starten und sich langsam heranzutasten - so baut man nicht nur Kondition, sondern auch Vertrauen zum Berg auf.«
Wir haben Anna Breitinger gefragt, welche Bergsteiger*innentouren sich am besten für Anfänger eignen und welche Touren zu ihren Liebsten gehören. Hier also drei von Anna erprobte Tipps für alle, die noch mehr Bergluft schnuppern wollen:
Salzkammergut für Bergneulinge
»Ich starte gleich mit dem wunderschönen Salzkammergut – hier ist für jeden, speziell auch für Anfänger, etwas dabei. Das große Angebot gestaltet sich von der gemütlichen Hüttenwanderung, über diverse Klettersteigrouten, bis hin zu Felsklettereien. Belohnt wird jede Tour mit einem einmaligen Ausblick auf unzählige Seen, welche nach der Bergtour auch zum Reinhüpfen einladen.«
Berchtesgardner Alpen für Geübte
»Einige Kilometer weiter westlich in den Berchtesgadener Alpen fällt der Watzmann mit seinen exponierten Wänden auf. Als sehr bekannter Berg zieht er Bergsteiger aus aller Welt an. Allerdings ist sein Nachbar, der Hochkalter mit 2.607 Metern, nicht weniger beeindruckend. Da die ein oder andere Schlüsselstelle zu bewältigen ist, rate ich eine Besteigung jedoch nur den geübten Bergsteigern unter euch.«
Tirol für erfahrene Alpinisten*innen
»Mit vielen Dreitausendern, unzähligen Kletterrouten sowie Hochtouren ist Tirol das wahre Eldorado für erfahrene Alpinisten. Von den Kitzbühler Alpen über das Karwendelgebirge weiter zum Ötztal bis hin nach St. Anton am Arlberg – ein Paradies für alle, die gerne hoch hinauswollen!«
Wer noch mehr spannende Berggeschichten hören möchte, dem empfehlen wir die Podcast-Folge Bergsteigerinnen – Unbekannte Heldinnen vom Bayerischen Rundfunk. Über Berge geht es auch in unserer Geschichte zur Gaisalpe.
Unser Buchtipp zum Thema »Bergheldinnen«:
In diesem Buch geht es nicht um Leistung oder alpine Rekorde, sondern um ganz persönliche Lebensgeschichten. Für die einen gehören die Berge zum Arbeitsplatz, für andere dienen sie als Inspiration für ihr kreatives Schaffen. Ob Schäferin, Gletscherforscherin, Malerin oder Schriftstellerin. Alle Frauen verbindet die Liebe zu den Bergen und der Freiheit. Viele Geschichten, die wir als besonders schön empfanden, haben gemeinsam, dass die Frauen meist auf Umwegen und nicht mit geradlinigen Lebenslauf in die Berge gekommen sind. Ein Hoch auf die Bergliebe! »Frauen und Berge« von Florence Hervé und Katharina Mayer, 176 Seiten über modo Verlag
Fotos: Claudia Ziegler, Erika Dürr, Mira Cramer, Anna Breitinger